Familienanwalt in München, Hamburg und Holzkirchen
von Alexandra Güller
Verträge sind verbindlich und deshalb von den Vertragspartnern einzuhalten. Dieser Grundsatz gilt auch für Eheverträge. Die hierin enthaltenen Regelungen sollten daher wohlüberlegt sein. Aber wie lässt sich eine gemeinsame Beziehung in Form einer Ehe so gewissenhaft planen, dass wirklich alle Eventualitäten abgedeckt sind? Das Leben ist unvorhersehbar und nimmt immer wieder spontane Wendungen. Was passiert also, wenn das eheliche Zusammenleben in wesentlichen Bereichen vollkommen anders verläuft, als ursprünglich erwartet? Auch Eheverträge sind nicht in Stein gemeißelt. Im Folgenden finden Sie verschiedene Möglichkeiten, um einen abgeschlossenen Ehevertrag nachträglich anzupassen. Zudem erklären wir, wie die Ausübungskontrolle die Korrektur eines Ehevertrags im Falle einer Scheidung ermöglicht.
Mit einem Ehevertrag können Eheleute Regelungen für ihr Zusammenleben, aber vor allem auch für den Fall des Scheiterns ihrer Ehe verbindlich festhalten. Die bestehende Vertragsfreiheit berechtigt sie, individuelle Vereinbarungen zu treffen. Oftmals nutzen Ehepartner den Abschluss eines Ehevertrages insbesondere, um die gesetzlichen Unterhaltsvorschriften an ihre persönlichen Verhältnisse anzupassen.
Gehen die Ehegatten beispielsweise davon aus, dass ihre Ehe kinderlos bleibt und beide eigenverantwortlich für ihren Lebensunterhalt aufkommen sollen, bietet sich der Ausschluss von Unterhaltsansprüchen an. Für den umgekehrten Fall, dass ein Kinderwunsch besteht und aufgrund der Erziehungszeiten mit einem Anspruch auf nachehelichen Unterhalt zu rechnen ist, kann dieser im Rahmen eines Ehevertrages individuell ausgestaltet werden.
Ein Ehevertrag wird jedoch meist vor der Hochzeit bzw. zu Beginn der Ehe geschlossen. Zu diesem Zeitpunkt ist im Normalfall nicht vorherzusehen, wie sich das eheliche Zusammenleben tatsächlich entwickeln wird. So lässt sich oftmals nicht sicher voraussagen, ob Kinder aus der Ehe hervorgehen werden. Ebenso wenig lassen sich die künftigen beruflichen Verhältnisse der Ehegatten oder ihr gesundheitlicher Zustand verlässlich abschätzen. Was ist, wenn beispielsweise ein Ehegatte nach Abschluss des Ehevertrages unerwartet schwer erkrankt und dauerhaft arbeitsunfähig wird?
Es kann schnell passieren, dass sich im Laufe der Ehe die Umstände maßgeblich verändern. Die im Ehevertrag getroffenen Vereinbarungen lassen sich dann mit den tatsächlichen Gegebenheiten nicht mehr stimmig zusammenbringen. Regelmäßig führen sie zudem zu einer einseitigen Benachteiligung eines Ehegatten. Zur Vermeidung von Nachteilen besteht dann dringender Handlungsbedarf, dem man am besten durch eine anwaltliche Beratung wie z. B. mit den Fachanwälten von Dr. Andrae begegnet.
Wenn die Eheleute sich über den Anpassungsbedarf einig sind, können sie die gewünschten Änderungen einvernehmlich von einem Notar beurkunden lassen. Meist offenbart sich das Problem jedoch erst mit dem Scheitern der Ehe. In der Regel sind die Ehepartner zu diesem Zeitpunkt nicht mehr zu einer gütlichen Einigung bereit. In diesem Fall muss der benachteiligte Ehegatte die von ihm begehrte Anpassung gerichtlich durchsetzen. Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat hierfür das Instrument der sog. Ausübungskontrolle entwickelt.
Das Gericht prüft Eheverträge im Regelfall in mehreren Stufen. Im Rahmen der ersten Stufe untersucht das Gericht, ob der Ehevertrag wirksam ist. Es kontrolliert, ob beim Abschluss des Ehevertrages die Formvorschriften beachtet wurden und ob der Vertrag frei von Irrtümern zustande gekommen ist.
Sodann betrachtet es den Vertrag inhaltlich und prüft, ob die vereinbarten Klauseln sittenwidrig sind. Eine sittenwidrige Vereinbarung ist nichtig. Infolgedessen werden statt der vertraglichen Regelung die gesetzlichen Vorschriften angewendet.
Voraussetzung für die Annahme einer Sittenwidrigkeit ist eine einseitige Benachteiligung. Prüfungsmaßstab ist hierbei der Gesamtcharakter des Vertrages, also Inhalt, Beweggründe und Zweck. Bei der Wirksamkeitskontrolle sind allein die Umstände zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses entscheidend. Besonderes Augenmerk wird dabei auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse sowie den geplanten Zuschnitt der Ehe gelegt. So darf z. B. im Fall einer Schwangerschaft keine zu große finanzielle Abhängigkeit vom Mann als Versorger bestehen. Weiter muss die Benachteiligung das Ergebnis ungleicher Verhandlungspositionen sein. Das betrifft z. B. zu starke Unterschiede beim Bildungsgrad. Nach Vertragsschluss einsetzende Entwicklungen und eintretende Nachteile werden hingegen nicht beachtet.
Soweit der Vertrag dieser Überprüfung standhält und als wirksam einzustufen ist, beurteilt das Gericht weiter, ob sich die Ehegatten auf den Inhalt der Regeln berufen dürfen. Dabei betrachtet das Gericht die Umstände, die nach dem Abschluss des Ehevertrages eingetreten sind. Auf dieser Grundlage stellt das Gericht fest, ob und inwieweit sich die vertraglichen Regelungen als deutlich einseitige Lastenverteilung erweisen. Hiervon ist auszugehen, wenn besonders wichtige Scheidungsfolgen betroffen sind und die Anwendung der vertraglichen Regelung für einen Ehegatten unzumutbar ist. Dies kann z. B. eine zu starke Benachteiligung bei der finanziellen Versorgung oder bei der Vermögensaufteilung sein. Die Nachteile müssen aus einem Auseinanderfallen von ursprünglicher Eheplanung und gemeinsamer tatsächlicher Gestaltung der Ehe resultieren. Ein Festhalten am Vertrag muss dann trotz der Belange des anderen Ehegatten und dem Vertrauen in die Geltung der Abrede unzumutbar sein.
Gelangt das Gericht zu der Auffassung, dass einzelne Regelungen für den benachteiligten Ehegatten unzumutbar sind, nimmt es eine Anpassung des Vertrages vor. Dabei wird die betreffende Klausel nicht zwangsläufig vollständig gestrichen. Vielmehr ordnet der Richter die Regelung an, die unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen angemessen erscheint. Es handelt sich also immer um eine Einzelfallentscheidung. Dies macht eine Prognose über den Ausgang des Verfahrens in der Regel sehr schwierig.
Die Anpassung im Rahmen der Ausübungskontrolle verfolgt den Zweck, ehebedingte Nachteile und unzumutbare einseitige Lastenverteilungen auszugleichen. Die Ehegatten sollen durch die Vertragsanpassung jedoch nicht bessergestellt werden, als sie ohne die Ehe stünden.
Die Ausübungskontrolle ist eine höchstkomplexe rechtliche Materie. Es bedarf daher einer umfassenden und tiefgehenden Kenntnis der rechtlichen Grundlagen sowie der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Als Fachanwälte für Familienrecht verfügen wir in besonderem Maße über das erforderliche Fachwissen sowie über nützliche praktische Erfahrungswerte. Profitieren auch Sie hiervon und vereinbaren Sie ganz unverbindlich einen Termin für eine Erstberatung in unserer Kanzlei.
Die Ausübungskontrolle dient der nachträglichen Korrektur von ehevertraglichen Regelungen. Hierdurch sollen einseitige unzumutbare Belastungen, die bei Abschluss des Ehevertrages unvorhersehbar waren, ausgeräumt werden.
Im Rahmen der Ausübungskontrolle wird auf die konkrete Situation des Einzelfalls zum Zeitpunkt des Scheiterns der Ehe geschaut. Liegen zu diesem Zeitpunkt erhebliche ehebedingte Nachteile bzw. eine einseitige Lastenverteilung vor, kann eine Anpassung des Ehevertrages im Wege der Ausübungskontrolle erfolgen.
Unter ehebedingten Nachteilen sind alle negativen Entwicklungen während der Ehe zu verstehen, die sich aus dem von den Ehegatten einvernehmlich gewählten Rollenverständnis ergeben. Regelmäßig handelt es sich hierbei um Einschränkungen im beruflichen Fortkommen, die zugunsten des ehelichen Zusammenlebens hingenommen werden. Ein typisches Beispiel ist, dass ein Ehegatte seinen Beruf nur noch in Teilzeit ausübt oder ganz aufgibt, um sich um die Erziehung und Versorgung gemeinsamer Kinder zu kümmern.
Bei der Wirksamkeitskontrolle wird einzig auf die Umstände zum Zeitpunkt des Abschlusses des Ehevertrages sowie die beabsichtigte Ausgestaltung des ehelichen Zusammenlebens abgestellt. Demgegenüber ist die Ausübungskontrolle an den NACH Abschluss des Ehevertrages einsetzenden Entwicklungen ausgerichtet. Hierbei wird betrachtet, ob den Ehegatten trotz dieser Entwicklungen ein Festhalten an dem Vertrag zuzumuten ist.
Erweist sich eine Vereinbarung im Rahmen der Wirksamkeitskontrolle als sittenwidrig, ist sie nichtig. In weiterer Folge sind die gesetzlichen Regelungen anzuwenden. Erweist sich eine Klausel bei der Ausübungskontrolle hingegen als unzumutbar, wird sie durch eine angemessene Regelung ersetzt. Hierbei muss es sich nicht um die gesetzliche Regelung handeln.
Das Ergebnis der Ausübungskontrolle ist immer von dem konkreten Einzelfall abhängig. Gelangt das Gericht zu dem Ergebnis, dass einzelne Regelungen unzumutbar sind, führt dies nicht zwangsläufig dazu, dass die Regelung einfach entfällt. Vielmehr ordnet das Gericht diejenige Regelung an, die die widerstreitenden Interessen beider Ehegatten am meisten zu verwirklichen vermag.
Die Ausübungskontrolle soll unzumutbare Zustände korrigieren und ehebedingte Nachteile ausräumen. Sie soll hingegen nicht dazu führen, dass die Ehegatten durch die Anpassung der Regelungen besser dastehen, als dies ohne die Ehe der Fall wäre.
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