von Dr. Urte Andrae

Sonder- und Mehrbedarf: Welche Kosten die Düsseldorfer Tabelle nicht abdeckt

Die Düsseldorfer Tabelle ist für viele Fälle ein verlässlicher und gleichzeitig lokal anpassbarer Standard zur Berechnung des Kindesunterhalts. Das gilt vor allem für das Residenzmodell, bei dem ein minderjähriges Kind bei einem Elternteil lebt. Dieser Elternteil erfüllt seine Unterhaltspflichten durch die Betreuung und Versorgung, auch Betreuungsunterhalt genannt. Der andere Elternteil ist zur Zahlung des Barunterhaltes verpflichtet: Je nach Höhe seines Einkommens und bemessen an der Düsseldorfer Tabelle muss der Zahlungspflichtige in der Regel Kindesunterhalt leisten.

Aber was ist, wenn der Unterhaltsbetrag nicht ausreicht, um den Bedarf des Kindes vollständig abzudecken? Nachfolgend zeigen wir Ihnen, wie die zusätzlichen Bausteine des Mehr- und des Sonderbedarfs den Tabellenunterhalt sinnvoll ergänzen.

Lediglich die grundlegenden Kostenpositionen sind vom Tabellenunterhalt erfasst

Der Unterhalt der Düsseldorfer Tabelle setzt sich aus pauschalisierten Beträgen für alle elementaren Bedarfspositionen zusammen. So sind im Wesentlichen die zum Leben unentbehrlichen Aufwendungen für Wohnen, Ernährung, Kleidung, Spielsachen sowie die Kosten für die Gesundheits- und Krankenfürsorge erfasst. All diese Kosten sind in der Regel mit dem Elementarunterhalt abgegolten. Die aktuellen Unterhaltsbeiträge der Düsseldorfer Tabelle finden Sie hier.
Natürlich kann dieser pauschalisierte Unterhaltsbetrag aber nicht jede Konstellation im echten Leben ausreichend abbilden. Oftmals verbleiben daneben noch weitere Kosten für andere Lebensbereiche. Laut Unterhaltsrecht sind diese zusätzlichen Bedarfe gesondert zu regeln. Dazu gibt es viele weitere Themen rund um die Düsseldorfer Tabelle zu beachten – mehr dazu finden Sie hier.

Mehrbedarf oder Sonderbedarf – welche Kategorie gilt?

Der Zusatzbedarf ist in zwei Kategorien unterteilt: Den Sonderbedarf und den Mehrbedarf. Welche Kosten im Einzelnen einen Mehr- oder Sonderbedarf begründen, ist gesetzlich nicht geregelt. Auch in der Rechtsprechung wird diese Frage unterschiedlich beantwortet.

Generell gilt:

  • Der Mehrbedarf erfasst alle Kosten, die regelmäßig wiederkehrend anfallen und nicht vom Tabellenunterhalt erfasst sind. Hierzu können beispielsweise Kosten für Kindergarten, Nachhilfe, Musikschule und Sportverein sowie Beiträge für die private Krankenversicherung zählen.
  • Im Gegensatz dazu deckt der Sonderbedarf alle Kosten ab, die unvorhersehbar und unregelmäßig sind und in außergewöhnlicher Höhe anfallen (z.B. Kosten für eine Zahnspange).

Gemeinsam ist beiden Bedarfsformen, dass sie zusätzlich zum Tabellenunterhalt zu leisten sind. Der Bedarf muss zudem immer sachlich gerechtfertigt und angemessen sein.

Aufteilung der Kosten zwischen den Eltern

Anders als der Elementarunterhalt ist ein Zusatzbedarf nicht per se allein vom barunterhaltspflichtigen Elternteil zu tragen. Die Kosten sind vielmehr anteilig von beiden Elternteilen zu übernehmen. Entscheidend ist hierbei das Verhältnis der beiderseitigen Einkünfte zueinander. Zudem ist vorab ein Selbstbehalt vom jeweiligen Einkommen abzusetzen.


Beispielrechnung Klassenfahrt: So werden die Kosten aufgeteilt

In dieser Beispielrechnung zeigen wir auf, wie die Kosten für eine Klassenfahrt aufgeteilt werden:

Kosten der Klassenfahrt: 400,00 Euro

Bereinigtes Nettoeinkommen (Kindesmutter): 1.800,00 Euro
abzgl. Selbstbehalt 1.400,00 Euro
einzusetzendes Einkommen: 400,00 Euro

Bereinigtes Nettoeinkommen (Kindesvater): 3.500,00 Euro
abzgl. Selbstbehalt 1.400,00 Euro
einzusetzendes Einkommen: 2.100,00 Euro

Summe einzusetzende Einkommen (400+2.100): 2.500,00 Euro
Anteil (Kindesmutter) (400/2.500): 16 %
Anteil (Kindesvater) (2.100/2.500): 84 %

Gesamtkosten (Klassenfahrt): 400,00 Euro
Kostenanteil (Kindesmutter): 64,00 Euro
Kostenanteil (Kindesvater): 336,00 Euro

Der Zahlungspflichtige muss extra zum Leisten des Sonder- und Mehrbedarfs aufgefordert werden

Sowohl Sonder- als auch Mehrbedarf müssen gesondert gegenüber dem Zahlungspflichtigen geltend gemacht werden. Eine Zahlungsverpflichtung entsteht generell erst ab dem Zeitpunkt der Aufforderung. Ein Sonderbedarf ist spätestens ein Jahr nach seinem Auftreten einzufordern. Bis vor kurzem musste übrigens auch der Unterhalt für überdurchschnittlich hohe Einkommen durch eine umständliche Beweisführung geltend gemacht werden – das hat sich aber mittlerweile geändert.

Beratung durch einen Anwalt für Unterhaltsrecht zwingend notwendig

Da das Unterhaltsrecht sehr komplex ist und es einer differenzierten Betrachtung des jeweiligen Einzelfalls bedarf, raten wir Ihnen an, sich von einem versierten Anwalt eingehend beraten zu lassen. Nur so kann sichergestellt werden, dass Sie nicht alleine auf etwaigen Kosten sitzen bleiben. Gerne prüfen wir für Sie, ob und inwieweit der jeweils andere Elternteil an den anfallenden Kosten beteiligt werden kann und übernehmen für Sie die anschließende Durchsetzung Ihrer Ansprüche. Vereinbaren Sie also am besten gleich einen unverbindlichen Beratungstermin in unserer Kanzlei. Sehr gerne können Sie sich auch hier ausführlich über sämtliche Aspekte der Düsseldorfer Tabelle informieren.

Unterschied Sonder- und Mehrbedarf: Die wichtigsten Fragen und Antworten

Sind durch den Unterhalt nach der Düsseldorfer Tabelle alle kindbezogenen Kosten abgedeckt?

Nein. Der Tabellenunterhalt setzt sich aus pauschalisierten Beträgen für die lebensnotwendigsten Bedarfspositionen zusammen. Dabei können einmalig oder regelmäßig noch weitere Kosten auftreten, die nicht vom Pauschalbetrag der Düsseldorfer Tabelle erfasst sind.

Was ist ein Mehrbedarf und was ein Sonderbedarf?

Mehrbedarf sind Bedarfspositionen, die regelmäßig wiederkehrend anfallen und die nicht bereits von dem Tabellenunterhalt erfasst sind. Als Sonderbedarf werden Kosten eingestuft, die auf unvorhersehbare Weise, unregelmäßig und in außergewöhnlicher Höhe anfallen

Sind Kindergartenkosten immer als Mehrbedarf zu handhaben?

Eine pauschale Zuordnung bestimmter Bedarfspositionen ist nur in Ausnahmefällen möglich. In der Rechtsprechung hat sich bislang keine einheitliche Handhabe herausgebildet. Deshalb muss immer der Einzelfall betrachtet werden. Kindergartenkosten z. B. können als wiederkehrend anfallende Bedarfsposition dem Mehrbedarf zugeordnet werden. Die Rechtsprechung macht die entsprechende Zuordnung davon abhängig, ob der Kindergartenbesuch vorrangig pädagogisch veranlasst ist. Besucht das Kind den Kindergarten hingegen in erster Linie, damit der betreuende Elternteil seiner Erwerbstätigkeit nachgehen kann, steht der betreuende Aspekt im Vordergrund. In diesem Fall wird von der Rechtsprechung regelmäßig das Vorliegen eines Mehrbedarfs verneint und die Kosten für den Kindergarten werden als Sonderbedarf behandelt.

Können die Kosten für eine Klassenfahrt immer als Sonderbedarf geltend gemacht werden?

Auch diese Frage wird von der Rechtsprechung uneinheitlich beantwortet. Zum Teil werden diese Kosten aufgrund ihrer Einmaligkeit und ihrer Höhe dem Bereich des Sonderbedarfs zugeordnet. Teilweise wird ein Sonderbedarf jedoch mit der Begründung verneint, dass ihr Anfallen rechtzeitig vorhersehbar ist, sodass aus dem laufenden Unterhalt erforderliche Beträge angespart werden können.

Hat der barunterhaltspflichtige Elternteil für zusätzlich auftretenden Bedarf in Form von Sonder- und Mehrbedarf alleine aufzukommen?

Nein. Soweit neben dem Tabellenunterhalt zusätzlicher Bedarf besteht, ist dieser grundsätzlich von beiden Elternteilen gemeinsam zu zahlen. Die anfallenden Kosten werden allerdings nicht hälftig zwischen ihnen aufgeteilt. Vielmehr haftet jeder Elternteil entsprechend dem Anteil, den sein Einkommen im Verhältnis zum beiderseitigen Gesamteinkommen ausmacht. Mit unserer Beispielrechnung auf dieser Seite können Sie sich einen ersten Überblick verschaffen.

Autor dieses Fachartikels

Fachanwältin Dr. Urte Andrae
Dr. Urte Andrae Fachanwältin für Familienrecht

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